Berufspolitik

"E" wie Einigkeit!
Auftaktveranstaltung zum Gebäudetyp-e in Sachsen am 20. August 2024

Ein Bericht von Liam Floyd, Dresden

Wenn die Architektenkammer Sachsen, die Ingenieurkammer Sachsen und der BDA Sachsen gemeinsam zu einer Veranstaltung einladen, muss es sich um etwas Wichtiges handeln, was alle gleichermaßen betrifft. Am 20. August 2024 kamen im GEH8 Kunst Raum Ateliers in Dresden zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus der Architektur- und Ingenieurbranche sowie Politik und Verwaltung zusammen, um sich über die Novellierung des § 67 der Sächsischen Bauordnung und den dadurch ermöglichten sogenannten Gebäudetyp-e auszutauschen.
Eröffnet wurde mit begrüßenden Worten von Vertretern aller Gastgeber. Andreas Wohlfarth, Präsident der AK Sachsen, sprach von mehr Bewegungsfreiheit für Innovation und ergänzte die gängigen Assoziationen mit dem ‚E‘ – experimentell und einfach – durch seine eigene: erleichtert. Vizepräsident der IK Sachsen, Ralf Donner, plädierte für mehr Klarheit und einen größeren Spielraum beim Bauen im Bestand. Landesvorsitzender des BDA Sachsen, Alexander Pötzsch, begrüßte seinerseits mit einem Aufruf zur gemeinsamen Arbeit an der Bauwende und moderierte anschließend die Veranstaltung.

Wir brauchen klare Ziele, aber Freiheit bei der Umsetzung“, sprach der Sächsische  Staatsminister für Regionalentwicklung, Thomas Schmidt, und vollendete die Begrüßung mit den Worten: „Ich hoffe, dass wir in Sachsen aus dem Gebäudetyp-e etwas richtig Gutes machen!“.

Eine rechtliche Neuerung wirft natürlich in erster Linie rechtliche Fragen auf. Daher referierte Dr. Christoph Möllers, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, zuerst. Zum einen wurde die Änderung des Paragrafen an sich besprochen: Die Bauaufsichtsbehörde soll Abweichungen von den anerkannten Regeln der Technik zulassen, insbesondere wenn deren Ergebnis der Weiternutzung, Energieeinsparung, erneuerbaren Energien oder Erprobung neuer Bau- oder Wohnformen dienen. Zum anderen wurden die damit einhergehenden Schwierigkeiten z.B. in Bezug auf Mangelfreiheit erläutert. Fazit: Wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, sollte es spannende neue Projekte geben, die die anerkannten Regeln der Technik womöglich verändern könnten. Auch Dr. Möllers fand eine weitere Bedeutung für das ‚E‘: Evolution.

Anschließend stellte Stefan Gubelt, Architekt, ein in diesem Zusammenhang avantgardistisches Umbau-Projekt vor: sein eigenes Haus im ehem. Umspannwerk Rautenkranz in Muldenhammer. Das Projekt zeigt exemplarisch, wie Abweichungen zu einem wunderbaren Ergebnis führen können. Der Vorteil bei diesem Projekt war, dass Planer und Bauherr in derselben Person vereint waren.

Wolfram Behr von Behr Ingenieure aus Leipzig stellte eine Betrachtungsweise der neuen Möglichkeiten und Potenziale aus Sicht des Fachplaners dar und rief die Versammelten auf: „Wir müssen mehr miteinander reden, kollaborieren und verhandeln!“. Elisabeth Endres, u. a. Professorin an der TU Braunschweig und Mitglied des kuratorischen Teams „Stresstest“ für die kommende Architekturbiennale in Venedig, wurde per Video zugeschaltet. Ihr Beitrag fokussierte sich auf die wissenschaftliche Begleitung der 19 Pilotprojekte in Bayern. Einige wichtige Erkenntnisse, die jetzt schon gewonnen wurden, sind, dass  es Kollisionen mit Förderprogrammen geben könnte, die Abweichungen verhindern würden sowie rechtliche Fragen bei Eigentums- und Mietverhältnissen. Als abschließenden Vortrag stellte Adrian Reutler (Architekt, Daab Nordheim Reutler, Leipzig) das Projekt „Wohnen unter Sheddächern“ in Mainleus, Bayern vor – die Transformation eines ehem. Spinnereigeländes in eine Wohnsiedlung. Seine Frage: Werden wir durch den Typ-e schneller? Seine Interpretation des ‚E‘: Express.

Die Fragerunde zeigte, dass auch nach über drei Stunden Veranstaltung längst nicht alles besprochen war. Andreas Wohlfarth merkte währenddessen an: „Der Gebäude- typ-e beruht auf Freiwilligkeit – wer möchte, kann weiter nach den anerkannten Regeln der Technik bauen.“ Vermutlich ist es gerade die Freiwilligkeit, die dem Typ-e so große Zustimmung zukommen lässt. Annette Rothenberger-Temme (Abteilungsleiterin für Stadtentwicklung, Bau - und Wohnungswesen, Staatsministerium für Regionalentwicklung) machte Hoffnung auf den digitalen Bauantrag und eine erleichterte Antragsstellung auch für die Ausnahmeregelung für den Gebäudetyp-e.

Selten gibt es Neuerungen, bei denen alle geschlossen der Meinung sind, es sei ein Schritt in die richtige Richtung. Im Laufe des Nachmittags wurden dem ‚E‘ immer wieder andere Bedeutungen zugeschrieben: einfach, experimentell, erleichtert, Evolution oder Express. Was diese gemeinsame Vera staltung von Architektenkammer, Ingenieurkammer und BDA gezeigt hat, ist vor allem eins: ‚E‘ wie Einigkeit.