Der Klimawandel hat massiv an Fahrt aufgenommen. Auch ohne Jahrhundertkatastrophen kostet er jährlich viele Menschenleben, besonders durch Hitze. Laut Schätzungen des Robert-Koch-Instituts sind in Deutschland allein im Sommer 2022 etwa 4.500 Menschen hitzebedingt gestorben. Die Politik hat den Handlungsbedarf erkannt, auf EU- wie auch auf nationaler Ebene. Am 12.7.2023 hat das Europäische Parlament für das sogenannte Renaturierungsgesetz gestimmt. Übersteht das Gesetz die anstehenden Trilog-Verhandlungen ohne weitere Verwässerungen, ist ein wirksamer Hebel geschaffen, um in europäischen Städten für mehr Grün zu sorgen und diese damit klimaresilienter zu gestalten. Am 13.7.2023 verabschiedete das Bundeskabinett das Klimaanpassungsgesetz. Ein wichtiger Schritt, um die Anpassung an die Auswirkungen der Klimakrise in deutschen Kommunen in die Umsetzung zu bringen. Doch beide Gesetzesvorhaben haben noch viele Entscheidungskaskaden zu überwinden und müssen dann mit viel Geld, Personal und politischem Willen umgesetzt werden. Eine Mammutaufgabe.
EU-Renaturierungsgesetz: Wichtiges Klimaanpassungsinstrument
Das EU-Renaturierungsgesetz soll u.a. das Schrumpfen städtischen Grüns zunächst unterbinden und perspektivisch eine Zunahme der Stadtbaumpopulation und von Grünflächen in den europäischen Städten forcieren. Außerdem ergreift das Gesetz Maßnahmen gegen das Artensterben und fördert gezielt die Biodiversität.
»Das ist der dringend nötige Rettungsplan für die europäischen Ökosysteme, für die Natur – und damit für uns«, betont Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer. »Die grünen und blauen Infrastrukturen in den Städten zu stärken ist eines der wirksamsten Mittel, um sich gegen Hitze und Starkregen zu wappnen. Vor allem die großflächig zubetonierten Städte schaffen gefährliche Hitzeinseln, die sich schnell aufheizen und schlecht abkühlen. Mehr Grün kann hier für konkrete Abhilfe sorgen. Auch der sorgfältige Umgang mit Wasser muss eine neue Dimension erreichen.«
Erst vor wenigen Monaten hat ein Forschungsteam des Instituts für Globale Gesundheit in Barcelona eine Analyse zu 93 europäischen Großstädten vorgelegt. Das Ergebnis: Eine Erhöhung der Bedeckung durch Baumkronen auf 30 Prozent, könnte die Temperaturen in den Städten um durchschnittlich 0,4 Grad Celsius senken, lokal sogar um fast sechs Grad Celsius. Allein durch diese Maßnahme könnte laut Studie mehr als ein Drittel der hitzebedingten vorzeitigen Todesfälle vermieden werden.
Klimaanpassungsgesetz: Kommunen ausstatten für klimaresiliente Infrastrukturen in Stadt und Land
Das Klimaanpassungsgesetz muss im nächsten Schritt Bundesrat und Bundestag passieren. Vor allem die Länder, die das Gesetz zur Vorlage eigener Klimaanpassungsstrategien verpflichtet, werden eigene Interessen einbringen. Die finanzielle Belastung für die Kommunen ist hoch, zusätzlich herrscht Personalmangel. Der Stellenbedarf wird bundesweit auf über 16.000 geschätzt. Nur ein Viertel der Landkreise und kreisfreien Städte kann bislang ein Konzept zur Klimaanpassung vorlegen. Drei Viertel haben dafür keinen eigenen Etat. Es wird also viel Geld benötigt für die Planung und Umsetzung der Klimaanpassungsmaßnahmen. Laut Protokoll der jüngsten Konferenz der Länderumweltministerinnen und -minister vom November 2022 veranschlagen diese für die Umsetzung der bis 2030 notwendigen Klimaanpassungsmaßnahmen in den Ländern und Kommunen rund 55 Milliarden Euro. Eine Investition, die sich mehr als lohnen wird, denn laut der Studie »Die Kosten des Klimawandels«, die die Bundesregierung beauftragte, könnte es deutlich teurer werden, wenn nichts unternommen wird. Danach könnten sich die Kosten für Klimaschäden in Deutschland bis Mitte des Jahrhunderts auf bis zu 900 Milliarden Euro belaufen.
Andrea Gebhard: »Das Klimaanpassungsgesetz ist ein wichtiger Schritt, um Risikovorsorge und Anpassung an die Auswirkungen der Klimakrise, die Deutschland längst erreicht hat, wirkungsvoll voranzubringen. Es ist aber nur der erste Schritt. Mit dem Vorschlag für eine neue Musterbauordnungschlagen wir einen höheren Stellenwert für Grünflächen vor. Der Weg hin zu tatsächlich klimaresilienten städtischen und ländlichen Infrastrukturen ist noch lang und stellt eine Mammutaufgabe dar, die zu großen Teilen von Kommunen und Kreisen erbracht werden muss. Dass der Bund bislang nur punktuell und projektbezogen finanziell fördern kann, wird dieser Aufgabe nicht gerecht. Es braucht eine ausreichende und verlässliche Förderung, damit Kommunen und Länder diese Daueraufgabe stemmen können. Und bei aller Dringlichkeit, die akuten Symptome durch Klimaanpassung zu lindern – die nachhaltigste Maßnahme gegen Hitze und Überflutungen ist die Bekämpfung der Ursachen: der Klimaschutz.«
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